Kai Spitzley19.6.2000

Einführung in die Systemtheorie



Frederic Vester"Neuland des Denkens"

Vester ist Biochemiker und Fachmann für Umweltangelegenheiten. Er hat sich die Frage gestellt, warum wir trotz gewaltiger Datenmengen immer noch keine besseren Prognosen treffen können, gerade im Bezug auf Umwelt und Natur.
Da unsere Rückschlüsse und Handlungen davon abhängen, wie wir die Wirklichkeit verstehen, muß man aus all den Rückschlägen und neugeschaffenen Problemen schließen, daß die Wirklichkeit nicht oder falsch verstanden wird, sonst würde sie nicht immer so völlig anders reagieren, als wir es erwartet haben.
Biokybernetische Betrachtungen könnten hier Abhilfe verschaffen.

· Systeme und Vernetzung ·

Zusammenhänge und Eingriffe

Zur Untersuchung von Vorgängen befaßt man sich in der Regel mit Einzelmechanismen und -strukturen, aber zu selten mit Systemen, denn die Realität ist keine Anhäufung von Einzelbereichen, sondern ein vernetztes System, wo Beziehungen zwischen den Bereichen oft wichtiger sind als die Einzelbereiche selbst.



Unvorsichtige Eingriffe können bei komplexen Systemen zu Problemen führen, die lange nicht bemerkt werden, da sie Störungen zunächst abfangen und auszugleichen versuchen. Während man Fehler bei einfachen mechanischen Strukturen sofort bemerkt, kann hier die Rückwirkung über viele Stationen gehen und in völlig unerwarteten Bereichen zu Tage treten.

System oder Nichtsystem ?

Ein System
  • besteht aus mehreren Teilen
  • die verschieden voneinander sind
  • und zu einem bestimmten Aufbau miteinander vernetzt sind
(natürliche Systeme sind zudem wild verschachtelt)

Das Mikroskop

Systemzustände lassen sich nicht mikroskopisch vorausbestimmen, bzw. nur mit unvertretbar großem Aufwand. (alle Atombewegungen). Daher bedient man sich der Mustererkennung.

Mustererkennung

Ähnlich wie der Beschreibung einer Person durch viele Worte ist ein Bild und dadurch die Wahrnehmung eines Musters viel hilfreicher. Statt der Details hat man deren Verknüpfung und selbst wenn die Details unscharf und nur wenige sind (z.B. Karikaturen), reicht das Muster aus.
Das heißt das Entfernen von Details führt nicht zu Verfälschungen, sondern aufgrund der Vernetzung nur zu geringerer Deutlichkeit. Zur Systembeschreibung werden also keine Atombewegungen benötigt, sondern das Grundmuster, die Vernetzung.

Das Makroskop

Analytisch

Systemansatz

isoliert: konzentriert sich auf Einzelelemente verbindet: konzentriert sich auf Wechselwirkungen zwischen den Elementen
stützt sich auf Genauigkeit der Details stützt sich auf Wahrnehmung der Ganzheit
disziplinorientiert interdisziplinär
gutes Detailwissen, schlecht def. Ziele unscharfe Details, gutes Wissen über Ziele

Der analytische Ansatz gilt für einen kurzen Zeitraum. Sobald aber die Wechselwirkungen mit der Umwelt stärker ins Spiel kommen als die inneren Mechanismen des Systems muß zum Systemansatz übergegangen werden.

Regelkreise

Die Systemtheorie führte zu der Erkenntnis, daß kein System isoliert in seinem eigenen Lebensraum existiert, sondern immer in andere hereinragt; also kann es auch keine getrennten Gesetzmäßigkeiten geben. Egal also, ob Molekül, Amöbe, Mensch, Maschine oder Wirtschaftsunternehmen, die Kontrollmechanismen müssen eine gemeinsame Basis haben. Diese Basis ist das eigentliche Forschungsgebiet der Kybernetik und wird hier in Regelkreisen modelliert.



Wichtiger Unterschied zwichen Biokybernetik und techn. Kybernetik (Regelungstechnik): Natürliche Systeme gewinnen die äußeren Steuer- / Führungsgrößen aus dem Wechselspiel der Systeme miteinander, während bei der techn. Kyb. die Größen von außen (meist von Menschen) vorgegeben werden.

Negative Rückkopplung regelt Vorgänge nach dem Dämpfungsprinzip. (Regelgröße zu groß - Regler gibt Signal zum verringern)
Positive Rückkopplung (Regelgröße zu groß - Regler vergrößert weiter) führt zum Aufschaukeln und damit zum Einfrieren oder Explodieren des Systems. Positive Rückkopplungen sind allerdings nötig, um gewisse Dinge zum Laufen zu bringen, z.B. bei Evolutionsvorgängen, wo pos. Rückkopplungen zu Metamorphosen und einem neuen Gleichgewichtszustand führen können.
Diese pos. RK müssen aber einer übergeordneten negativen RK gehorchen.
Also kann kein natürliches System ohne negative Rückkopplungen existieren.

Kybern. / Nichtkybern. Eingriffe

Nichtkybernetisch: (ohne Rücksicht auf das Systemverhalten)
  • hoher Energie- & Materialeinsatz
  • führt schnell an anderer Stelle zu neuen Problemen
  • bekämpft nur die Symptome
Kybernetisch:
  • Gesamtmuster und Rückwirkungen verstehen
  • Vernetzung benutzen, um den eigenen Kraftaufwand zu minimieren
  • Problem wird an der Wurzel gepackt


Online version available at http://www.heechee.net/kyb